Flexible Prozessansteuerung in der Chemieproduktion
Luftansteuerung und elektrische Signale aus einem robusten ATEX-Schaltschrank - Die Zusammenarbeit mit der Röhm GmbH
Für eine Perlpolymerisationsanlage wurde ein elektropneumatisches Automatisierungssystem zusammengestellt, das in einem robusten ATEX-Schaltschrank untergebracht ist. Die eigensicheren Ventile und Ventilausgangsmodule von Bürkert sind dabei vollständig in das SIMATIC ET 200iSP System von Siemens integriert.
Am Standort Wesseling im südwestlichen Nordrhein-Westfalen betreibt das Chemieunternehmen Röhm eine Anlage zur Herstellung Poly(meth)acrylat-basierter Bindemittel. Diese finden bspw. Verwendung in Lösungsmittelbasierten Lacken und Farben, in Fahrbahnmarkierungen, aber auch im Pharmabereich.
Im Batchverfahren werden auf drei Produktionssträngen im Perlpolymerisations-Betrieb (PP-Betrieb) über Suspensionspolymerisation rund 40 Produkte gefertigt. Es gilt also, unterschiedliche Rezepturen abzuarbeiten und die Aktorik für die nacheinander stattfindenden Produktionsschritte entsprechend anzusteuern. Eine zentrale Rolle im Prozess spielen die Polymerisationreaktoren. Zwei dieser Reaktoren waren im Zuge von Modernisierungsmaßnahmen auszutauschen.
Modulares System für die zentrale Ansteuerung
Der komplette Produktionsbereich ist als Ex-Bereich deklariert und die Komponenten zur pneumatischen und elektrischen Ansteuerung waren bisher in der Anlage in einem relativ großen, doppelt abgedichteten und zusätzlich überdachten Schaltschrank untergebracht. Die Pilotventile zur Ansteuerung der pneumatischen Schwenkantriebe waren dezentral angeordnet und ebenfalls in die Jahre gekommen. Außerdem hatte sich die bisherige Lösung als sehr verschmutzungsanfällig erwiesen. Die Umgebung im PP-Betrieb ist staubig. Zudem neigt dieser Staub zum Verkleben; es entstehen schmierige Beläge, die immer wieder Reinigungsmaßnahmen erforderlich machen. „Wir wollten deshalb nicht nur den großen Schaltschrank durch eine kompaktere Lösung ersetzen, sondern auch die Verkabelung und die Anzahl der Pilotventile vor Ort reduzieren“, erklärt Jens Peter Rönn, EMSR-Betriebsingenieur bei Röhm.
Die EMSR-Spezialisten verglichen daraufhin unterschiedliche Möglichkeiten. Letztendlich fiel die Entscheidung auf eine Lösung, die ihnen Bürkert aufgrund der Erfahrung bei vielen ähnlichen Projekten vorschlug. Sie ermöglicht auf sehr kleinem Raum eine hohe Packungsdichte an Signalen bereitzustellen. Luftansteuerung und elektrische Signale kommen aus einem kompakten, ATEX- und IEC-Ex-zertifizierten Schaltschrank, der direkt in der Anlage steht und nur wenig Platz beansprucht.
Elektropneumatisches Automatisierungssystem Typ 8650 im
anschlussfertigen, kompakten ATEX-Schaltschrank.
„Die vollständige Integration von eigensicheren Ventilen und Ventilausgangsmodulen von Bürkert in das SIMATIC ET 200iSP System von Siemens ist derzeit einmalig, denn kein anderes System ermöglicht eine solch hohe Kanaldichte und Flexibilität – elektrisch wie auch pneumatisch.“
Zertifizierte Komplettlösung robust verpackt
Das elektropneumatische Automatisierungssystem ist für den Einsatz in Zone 1/21 ausgelegt und wurde vom Bürkert-Systemhaus in Menden als zertifizierte und anschlussfertige Komplettlösung ausgeliefert. Insgesamt sind in dem 1400 mm breiten, 1200 mm hohen und 450 mm tiefen Edelstahlschaltschrank 56 3/2-Wege- und 16 5/2-Wege-Ventile verbaut. Die Ventile sind eigensicher und hot-swap-fähig, lassen sich also bei Bedarf im laufenden Betrieb austauschen. Hinzu kommen die SIMATIC-I/O-Module für 160 NAMUR-Digitaleingänge sowie 64 Analogeingänge (2-wire HART und HART 4…20 mA). Das elektropneumatische Automatisierungssystem kommuniziert mit der übergeordneten Steuerung über Profibus DP und ist so perfekt in die Siemenssteuerungswelt eingebunden.
Der Einsatz einer modernen Laserschneidanlage zur Schaltschrankherstellung
erlaubt präzise und saubere Abschnitte am Gehäuse.
Damit der auf die Applikation maßgeschneiderte Edelstahlschaltschrank den rauen Umgebungsbedingen standhält und in seinem Innern nicht verschmutzt, wurde er mit einer doppelten Türdichtung staubdicht ausgeführt. Eine Drucküberlagerung, die zusätzliche Hardware erfordert hätte, ist nicht notwendig. Mittlerweile hat sich die Robustheit auch im praktischen Einsatz bewiesen. Zwei solcher Schränke sind seit Anfang des Jahres mit ausgetauschten Reaktoren in Betrieb gegangen. Drei weitere werden zeitnah integriert.
Die doppelte Türdichtung hält Staub fern.
Eine Drucküberlagerung ist nicht notwendig.
Einfache Montage
Die Montage in der Produktionslinie war unkompliziert. Vor Ort mussten nur noch Spannungs- und Druckluftversorgung sowie die Profibus-Leitung angeschlossen werden. Die Druckluft wurde dabei über eine zentrale Einspeisung im Schaltschrank auf die Verteilerleiste für die Ventilinseln vom Typ 8650 geführt. Das vereinfacht die Installation in der Anlage. „Unsere Werkstatttechniker kamen damit gut zurecht; das System ist in der Handhabung einfach“, freut sich Jens Peter Rönn. Prinzipiell kann aber auch das Serviceteam von Bürkert bei Installation und Inbetriebnahme unterstützen.
„Als wir 2020 im PP-Betrieb im Zuge von Modernisierungsmaßnahmen zwei Reaktoren austauschen wollten, entschieden wir uns dafür, die Signalebene gleich mitzuerneuern, denn die bisherige Technik erwies sich als veraltet. Es war nur schwer oder gar nicht möglich Ersatzteile zu bekommen.“
Aber nicht nur technisch konnte das System überzeugen. Jens Peter Rönn schätzt auch die gute und partnerschaftliche Zusammenarbeit. So wurden bspw. für sicherheitsrelevante Aufgaben, bei denen Ventile deutlich schneller schalten müssen als im Prozess notwendig, im Nachhinein spezielle Schnellentlüftungsventile eingesetzt. „Bürkert hat da zügig und unbürokratisch reagiert,“ freut sich Rönn. Auch bei zukünftigen Projekten wird sich das Chemieunternehmen deshalb auf die Expertise verlassen.