Dumme künstliche Intelligenz
Criesbach, 16. Juni 2018: Insgesamt 140 Personen versammelten sich gestern Abend auf dem Bürkert Campus in Criesbach. Der Anlass: Ein weiteres Kulturforum, dieses Mal mit Trendforscherin Lola Güldenberg aus Berlin. In ihrem spannenden Vortrag ging sie dem Trendthema „Künstliche Intelligenz“ auf den Grund und konnte dabei vielleicht sogar den einen oder anderen Kritiker von den Vorteilen, die dieses Phänomen mit sich bringt, überzeugen.
Ihren Vortrag eröffnete sie mit der Klärung diverser fundamentaler Fragen: Von welcher Künstlichen Intelligenz sprechen wir überhaupt? Handelt es sich um evolutionäre, statistische oder selbstständig lernende Intelligenz? Grundsätzlich geht es nicht ohne Analytik und jede Menge Daten. „Big Data“ ist ein Stichwort, das sich durch den gesamten Vortrag zieht. Künstliche Intelligenz ist demnach von uns Menschen gemacht. Wir sind diejenigen, die sie mit Daten füttern. Ein Beispiel dafür ist die Spracherkennung und die Autokorrektur auf Smartphones. Diese sammeln kontinuierlich Daten, werten sie aus und lernen so ständig mit – ein Baustein der künstlichen Intelligenz, der uns vielleicht gar nicht immer bewusst ist.
Der Kampf um Daten wird in Zukunft sogar noch intensiver. „Daten werden zu einer echten Währung“, prognostiziert Lola Güldenberg. So bekomme ich beispielsweise meinen Strom leichter und schneller, wenn ich im Gegenzug meine Daten preisgebe. Die Entscheidung liegt damit bei einem selbst, in welchem Umfang man von der künstlichen Intelligenz profitieren will. Der Preis, den es zu zahlen gilt, wird in Daten berechnet.
Die größten Fortschritte liegen zum jetzigen Stand im Wahrnehmen und Erkennen. So finden sich die praxistauglichsten Anwendungen in Verbindung mit Sprache und Bild. „Doch wahre künstliche Intelligenz steckt in den Kinderschuhen und wird noch lange brauchen, bis sie auf Augenhöhe mit dem Menschen steht“, so Güldenberg. Die Entscheidungsgewalt liegt nach wie vor bei uns Menschen.
Große Erfolge erzielt die künstliche Intelligenz auch im medizinischen Bereich. So können Krankheiten wie Alzheimer oder auch Hautkrebs mittels KI (Künstliche Intelligenz) frühzeitig erkannt werden, und das teilweise sogar präziser als von Ärzten. Ein weiteres Beispiel: Kontinuierliches Monitoring ermöglicht eine frühere Wundbehandlung zuhause. So können Patienten schneller aus Krankenhäusern entlassen werden. Per Fotoabgleich wird der Verlauf begleitet. Die letztendliche Entscheidung über die weitere Therapie liegt aber nach wie vor beim Arzt, die KI unterstützt lediglich bei der Diagnose.
Die Grenzen zwischen virtueller und die physischer Welt werden bereits in den kommenden Jahren verwischen. Wir werden den Computer kaum mehr als solchen wahrnehmen, da er in vielen unterschiedlichen Formen (Stichwort „Internet der Dinge“) ganz unbewusst in unseren Alltag integriert sein wird. Als Beispiel nennt Lola Güldenberg den Amazon Dash Button: ein kleiner Knopf, über den direkt neues Waschmittel bestellt werden kann.
Doch warum sind wir so misstrauisch, was die künstliche Intelligenz angeht? Lola Güldenberg hat hierauf eine klare Antwort: „Wir trauen der KI nicht, weil es ihr neben emotionaler Intelligenz auch an Verwundbarkeit mangelt. Im Gegensatz zu uns Menschen fehlt ihr das Schmerzempfinden.“ In Zukunft könnte eine solche Emotionalität aber ebenfalls „eingegeben“ werden, doch davon sind wir noch eine ganzes Stück weit entfernt.
Statt die künstliche Intelligenz ganz und gar zu verteufeln, sollten wir uns bewusst machen, welche Vorteile sie mit sich bringt. Vielversprechende Ansätze sind in Finanz- und Steuerwesen auf dem Vormarsch. „In zwei bis drei Jahren werden Sie Ihre Steuerklärung rein sprachlich erstellen können“, verspricht Lola Güldenberg. Standardisierte Arbeitsprozesse werden von Maschinen selbst gelernt und ausgeführt, wir Menschen greifen nur noch bei Bedarf ein. Diese Ressourcenfreisetzung könnte man aber als Chance sehen – die Chance zu mehr Zeit für Kreativität und Leidenschaft. Mehr Zeit für Dinge, die uns Menschen wirklich ausmachen und uns Mensch sein lassen.